Juhan Telschow

jt122363@uni-greifswald.de

6. Semester B. A. Geschichte/Skandinavistik

Matrikelnummer 138981


Universität Greifswald

Insititut für Skandinavistik und Fennistik






Modul Literaturwissenschaften II

Hausarbeit


Karen Blixens Den afrikanske Farm und seine Rezeption: Kolonialkritik oder kolonialer Roman


12.02.2016


Inhalt


  1. Einführung

    1. Heranführung

    2. Fragestellung

    3. Literaturgrundlage

  2. Kurzer Überblick über den Roman

    1. (Biographischer) Hintergrund

    2. Aufbau des Romans und Zusammenfassung der beschriebenen Ereignisse

    3. Geschichtliche Einordnung des Romans

  3. Rezeption

    1. Überblick

      1. Zur Sprachwahl

      2. Kurze Rezeptionsgeschite Blixens

    2. Einige Stellungnahmen und Besprechungen von ausgewählten Kritikern und Autoren im Detail

      1. Ngugi wa Thiong'o: „Ihr Koch, ihr Hund”

      2. Gaby Dietse, „Blixen und Kolonialität. Die weiße Frau als Verarbeitungsfigur”

      3. Annegret Heitmann, „Landnahme in Karen Blixens Den Afrikanske Farm”

      4. Susan Brantly, „Karen Blixen's Challenges to Postcolonial Criticism”

  4. Analyse

    1. Persönliche Leseerfahrung

    2. Vergleich mit existierenden Ansichten

    3. Eventuelle Revidierung der persönlichen Perspektive und Kritik an den besprochenen Stellungnahmen

  5. Zusammenfassung

  6. Anhang: Literaturverzeichnis


    1. Einführung


1.1 Heranführung


Karen Blixen, auch bekannt als Tania Blixen in Deutschland, hat mit ihrem Roman „Jenseits von Afrika” oder „Afrika, dunkel lockende Welt” (Original: „Out of Africa” bzw. „Den afrikanske farm”) hohe Wellen geschlagen, sowohl beim breiten Publikum als auch Kritikern, Literaturwissenschaftlern und postkolonial gesinnten Aktivisten.

Von einigen als für den Kolonialismus typischen Roman, der die oft gewalttätige Fremdherrschaft der europäischen Kolonialmächte in Afrika verherrlicht, bezeichnet oder sogar das „gefährlichste” Buch zu diesem Thema genannt, wird er von anderen in nicht ganz so dunklem Licht gesehen. Letztere weisen auf die Unterschiede hin, die es sowohl im Inhalt und Beschreibung der Figuren im Roman als auch im biographischen Hintergrund der Autorin gibt.

Nicht viele Romane sind schon seit so langer Zeit kontrovers diskutiert worden, insbesondere nicht autobiographische Romane von Mittragern des „kolonialen Unternehmens”, wie das Besitzen von Farmen in Kolonien durch Europäer von einigen Autoren genannt wird.

Diese Arbeit soll sich mit dieser Diskussion beschäftigen und die Meinungen vergleichen und kommentieren.


1.2 Fragestellung


Der Titel dieser Arbeit soll diese beiden Ansichten widerspiegeln und die Kontroverse auf den Punkt bringen. Daher lautet er auch „Karen Blixens Den afrikanske Farm und seine Rezeption. Kolonialkritik oder kolonialer Roman?” Er soll so weit genug gefasst sein, um das Thema in seiner ganzen Breite umfassen zu können, das heißt, das ganze Meinungsspektrum der vielfältigen Rezeptionsgeschichte behandeln zu können, ohne zu sehr in Nebensächlichkeiten abzugleiten.


1.3 Literaturgrundlage


Es liegen zum Vergleich und Kommentar die folgenden Arbeiten vor: Neben Dietse, Gaby, Blixen und Kolonialität. Die weiße Frau als Verarbeitungsfigur und Kjældgaard, Lasse Horne, En af de farligste bøger, der nogen sinde er skrevet om Afrika? Karen Blixen og kolonialismen auch Ngugi wa Thiong'o, Ihr Koch, ihr Hund. Karen Blixens Afrika, in: Moving the Centre. Essays über die Befreiung afrikanischer Kulturen sowie Heitmann, Annegret, Landnahme in Karen Blixens Den Afrikanske Farm, in: Karen Blixen/Isak Dinesen/Tania Blixen. Eine internationale Erzählerin der Moderne und zuletzt Brantly, Susan, Karen Blixen's Challenges to Postcolonial Criticism.

Als Anmerkung sei noch gegeben, dass es sich bei ersterem um einen Vortrag am Nordeuropäischen Institut an der Humboldt-Universität in Berlin gehandelt hat, der nie durch Druck breiter veröffentlich worden ist, daher wird diese Arbeit stattdessen das Vortragsmanuskript als Literaturgrundlage benutzen.

Für biographische und andere Hintergrundinformationen werden gesondert Artikel und Nachschlagewerke zu Rate gezogen.



2 Kurzer Überblick über den Roman


2.1 (Biographischer) Hintergrund


Die Baronin Karen Blixen, mit vollen Namen Karen Christence Dinesen, Baroness Blixen-Finecke, wurde 1885 auf einem Gutshof in Dänemark in eine adlige Familie geboren, nördlich von Kopenhagen. Ihre Mutter hieß Ingeborg Westenholz Dinesen und ihr Vater war der Gutsherr Wilhelm Dinesen, ein Schriftsteller1 und Armeeoffizier.2

Sie zeigte schon früh eine Neigung zum Künstlerischen, und schon 1907 wurden erste Kurzgeschichten voon ihr veröffentlicht, meist unter Pseudony, Osceda. Sie besuchte die Königliche Kunstakademie in Kopenhagen3 als auch weitere Schulen in Frankreich, der Schweiz, Italien und England.4

1914 heiratete sie ihren vetter Baron Bror Blixen-Finecke und zog mit him nach Kenia um die Kaffee-Plantage zu bewirtschaften.5 Das Buch berichtet nun von ihren Erlebnissen, Gefühlen und Gedanken während dieser Zeit, die auch noch den ersten Weltkrieg und den Kampf zwischen deutschen und englischen Kolonisatoren um Kenia beinhaltet.

Sieben Jahre später, 1921, schied sie sich und kehrte nach weiteren zehn Jahren auf der Farm zurück nach Dänemark. Schwere wirtschaftliche Probleme hatten sie äußerst widerwillig zum Aufgeben der Plantage gezwungen, nachdem alle Rettungsversuche am Ende vergeblich waren.6 Den afrikanske Farm erschien dann 1937 auf Dänisch und English (Out of Africa) zugleich.7


2.2 Aufbau des Romans und Zusammenfassung der beschriebenen Ereignisse


Der Roman gliedert sich in mehrere Teile, insgesamt fünf an der Zahl. Diese sind wiederum in Kapitel unterteilt, die sehr unterschiedlich in ihrer Länge ausfallen. Während sich zu Beginn vor allem längere Kapitel mit etwa 20 Seiten oder mehr finden lassen, sind im vierten Teil einige kaum eine Seite lang.

Dies hängt mit dem Inhalt dieser Teile zusammen: Der erste Teil ist eine Einführung in ihr Leben als Kolonialherrin auf der Farm und eine Beschreibung von Land und Leuten, inklusive derjenigen die in der nächstgelegenen Stadt Nairobi leben. Ausgiebig schildert sie die Natur, ihre Gefühle und Assoziationen sowie vieles über ihren Umgang mit den „Eingeborenen” (Natives) und deren Leben, wie sie es erlebt hatte. Dieses beinhaltet sowohl Abschnitte über die sogenannten Squatters (Alteingessesene Bauern, denen erlaubt wurde, auf dem nun fremdbestimmten Land zu bleiben, solange sie eine Steuer bezahlten) als auch Abschnitte über die Arbeiter und Diener auf ihrer Farm und dem umliegenden Gelände.

Der zweite Teil (A Shooting Accident) beinhaltet die Nacherzählung eines Unglücks, der sich während einer Feier der Natives zugetragen hatte. Als ein Junge mit einer Schusswaffe herumhantierte, löste sich ein Schuss, der zu schweren Verletzungen bei einigen der anderen Kinder führte. Die Genesung des einen, dem der untere Kiefer abgeschossen worden war, sowie der Prozess, der im Dorf abgehalten wird, wird ausführlich dargelegt.

Der dritte Teil berichtet von einigen der verschiedenen Besucher, die sie auf der Plantage hatte, zum Beispiel von Stammesältesten aus benachbarten Dörfern, Massai-Kriegern, indischen islamischen Priestern und Besuch von anderen Europäern, etwa einem mittellosen schwedischen Schauspieler.

Der vierte Teil besteht aus lauter Kurzgeschichten und Notizen über Leben und Welt in Afrika aus ihrer Sicht, zum Teil nur eine halbe Seite lang.

Im fünften Teil schließlich wird von den Schwierigkeiten, dem sie sich zum Ende gegenüber sah, und wie sie schlußendlich ihre Existenz an den Ngong-Bergen auflösen musste.


2.3 Geschichtliche Einordnung des Romans


Der Roman lässt sich, auch gerade durch den autobiographischen Hintergrund, schwer in eine der üblichen Epochen einordnen. Ob er jetzt noch als Roman des allmählich ausklingenden Kolonialismus oder schon ein frühes Beispiel eines postkolonialen Werkes ist soll wie gesagt Gegenstand dieser Arbeit sein, denn genau dies ist was seit Jahrzehnten am kontroversesten diskutiert worden ist.

Anzumerken ist jedoch, dass wie auch in ihren belletristischen, nicht-autobiographischen Werken eine gewisse, zum Zeitpunkt des Erscheinens bereits mehr oder weniger verschwundene, aristokratische Sicht der Welt deutlich wird, was sehr wahrscheinlich an ihrem Selbstbild als Baronin lag. So lehnte sie es ab, statt als Gutsbesitzerin weiterhin als einfache Frau auf der Farm zu leben, als es ihr angeboten wurde.8 Genaueres dazu soll in Kapitel 4.1 besprochen werden.


3 Rezeption


3.1 Überblick


3.1.1 Zur Sprachwahl

Als außergewöhnlich anzumerken ist, dass Blixen ihre Werke zunächst auf Englisch zu schreiben pflegte statt auf ihrer Muttersprache Dänisch. 9

Bei Seven Gothic Tales begründet sie es in einem privaten Brief an ihrem Bruder damit, dass sie nicht glaubt, dass ein solches Buch Dänen so sehr interessieren würde, wie es der Fall bei einem englischsprachigem Publikum sei. Denn in Dänemark gäbe es, anders als etwa in England, keine literarische Tradition für dieses Genre der „Schauergeschichten” oder Gothic tales, welche dort im 19. Jahrhundert sehr beliebt waren, etwa Edgar Allan Poes Erzählungen. In späteren Aussagen berief sie sich hingegen auf pragmatisch-finanzielle Überlegungen.10

Dies könnte auch bei Out of Africa der Fall gewesen sein, ist Kenia zu diesem Zeitpunkt doch britische Kolonie. So kann man durchauß mutmaßen, dass trotz der späteren Eigenübersetzung ins Dänische der englischen Ausgabe mehr Beachtung geschenkt wurde, ist doch die Verbindung und damit das Interesse der dänischen Leserschaft zu Ostafrika nicht so groß wie es wohl der Fall bei der britischen war.


3.1.2 Kurze Rezeptionsgeschichte Blixens

In jedem Fall hat das Buch reichlich Beachtung gefunden, viel mehr als wenn es nur auf Dänisch veröffentlicht worden wäre. Wie auch andere Werke von Blixen wurde es viel rezipiert, kommentiert und analysiert, so sehr, dass Detflef Brennecke in seiner Kurzbiographie zu diesem Thema Jan Myrdal zitiert: „Man kann die großen Toten zurechtkneten, bis sie jede geeignete Form ausfüllen”, darauf anspielend, wie vielfältig die Interpretationen und Auslegungen von Blixens Werk waren.11

Dies lässt sich vor allem nach dem von ihm erwähnten „Paradigmenwechsels” 1968 erkennen, der das Ende der Dominanz der bis dahin üblichen „akribisch-komparatistischen” Literaturuntersuchungen (er nannte es auch „stiller Kult des Genauen, Fußnoten-Äquilibristik”) bedeutete, und stattdessen das Zeitalter der politisierten Textauslegungen einläutete. Viel wurde nun darauf geachtet, inwiefern sich ein Text für eine bestimmte politische Überzeugung (aus)nutzen ließ. 12

Wurde Out of Africa zunächst als reine Autobiographie rezipiert13, wurden Blixens Texte nun, angefangen 1972 mit Marie Fabricius14, besonders häufig feministisch ausgelegt, und als die eine „pyramadiale Struktur” der Gesellschaft offenlegend ausgelegt.15 Trotz ihrer Bekräftigung dass sie sich mit solchen Themen nie beschäftigt hatte und nichts von ihnen versteht,16 wurde sie so zu einer „einsamen Amazone im kenianischen Hochland”17 gemacht, wie es Brennecke nennt.

Dies änderete sich 1982 mit der Biographie von Judith Thurman und dann endgültig 1985 mit dem Film von Sydney Pollack, der den gleichen Titel wie das Buch trug und sieben Oscars bekam.18

Nun wurde, mit dem Aufkommen der postkolonialen Strömung in der Literaturwissenschaft, eine neue Interpretation von Blixens Werk populär.19 Auch wenn bis heute noch zum Teil Autoren Blixen verteidigten20, wurde sie jetzt oft nicht mehr als Heldin oder die tapfer feministisch schreibende Autorin ausgelegt, sondern vielmehr hatte sich ihre Rolle ins Gegenteil verkehrt und sie wurde jetzt statt als zu den Unterdrückten zur unterdrückerischen Seite zugehörig angesehen, als Europäerin zum Teil des „kolonialen Projektes” der europäischen Nationen in Afrika,21 insbesondere da sie auch noch zur Aristokratie gehörte.22

Auch wenn vorher schon einige Autoren ähnlich argumentiert hatten (etwa durch den Dänen Harald Nielsen schon 195623), so war dies jetzt die dominierende Art, vor allem bei nicht Dänisch sprechenden Kritikern.24

Bei Out of Africa waren es zum Beispiel Hariclea Zengos, die 1989 behauptete, Blixen wäre eine große Anhängerin des Kolonialismus gewesen,25 und noch bekannter unter jenen ist der Kenianer Ngugi wa Thiong'o, der mit Bezug auf den Bericht über den unter fragwürdigen umgekommenen Eingeborenen Kitoschi gar von „literarischer Glorifizierung von der Siedlerkultur des Mordes und der Folter” sprach26 und unter anderem deswegen das Buch als „eines der gefährlichsten Bücher, das jemals über Afrika geschrieben wurde” ansieht.27

Dagegen zeichnen dänischen Kritiken, vermutlich durch ihre Herkunft mehr Zugang zu außertextlichen Hintergrundinformationen haben, etwa biographischen Details und Zusammenhängen, oft ein differenzierters Bild von der Autorin. Darauf weist zum Beispiel Susan Brantly 2013 hin28.

Kirsten Thisted etwa, die in ihrem Artikel „Dead Man Talking” 2004 schrieb dass eine genaue Lesensweise eine gewisse Ironie in der Erzählung dieses Falles aufzeigt, an der man sehen könne, dass die Sicht der weißen Siedler durch die Autorin ganz und gar nicht gestützt würde und sogar eher als einen „furchtbaren Haufen Unsinn” ("horrible bunch of nonsense") entlarven würde.29


3.2 Einige Stellungnahmen und Besprechungen von ausgewählten Kritikern und Autoren im Detail


Es sollen nun einige dieser Kritiken und Besprechungen ausführlicher dargelegt und untersucht werden. Darunter ein kurzer Text des vorhin erwähnten Kenianer Ngugi wa Thiong'o, eine Arbeit der US-Amerikanerin Susan Brantly und ein Vorlesungsmanuskript der Gaby Dietse sowie ein Artikel der Annegret Heitmann, beide aus Deutschland.


3.2.1 Ngugi wa Thiong'o: „Ihr Koch, ihr Hund”

Der in Kenia geborene und später in die USA ins Exil gegangene Schriftsteller und politischer Aktivist30 gehört zu den schärfsten Kritikern Blixens und insbesondere Out of Africa. Viele seiner Artikel und Essays wurden schon vielfach aufgegriffen und auch Kritik ausgesetzt. In dieser kurzen Arbeit soll daher nur ein kurzer vierseitiger Text behandelt werden.

In diesem stuft er das Buch wegen des in seinen Augen die Zustände und Oppression der Afrikaner während des Kolonialregime als verharmlosend darstellenden Inhalt als eines der gefährlichsten Bücher, die je über Afrika geschrieben wurde31 ein, wie auch schon oben erwähnt.

Allgemein geht es um drei Klischees oder Stereotype Afrikas die in Westeuropa verbreitet seien32, das „Afrika des Geschäftsmannes”, also als Kontinent, dessen „Übermaß an Rohstoffe und an menschlicher Arbeitskraft” es für ihn auszubeuten gelte. Zweitens gibt es das „Afrika für den europäischen Vergnügungsjäger”, für den Afrika oft mehr oder weniger ein einziger Safaripark ist, in dem keine Menschen leben, oder wenn, dann nur nackt an Seite von Tieren.

Das dritte, das „Afrika in der europäischen fiktionalen Literatur” wird mit einem Abschnitt im Buch illustriert.33 Dieser lässt den Leser auch beim ersten Lesen zumindest stutzen, es geht nämlich um die Stelle, in der Karin Blixen ihren Koch als einen gezähmten, „zivilisierten” Hund beschreibt.34

Er nennt weitere Zitate, die die Ansichten Blixens über Afrika mehr als fragwürdig erscheinen lässen (er nennt sie „ekelhaft”35) und erklärt, ihre Bücher würden so den „großen rassistischen Mythos” durch ihren Status als literarische „Autorität”, gar „Heilige” in Europa weiter aufrechterhalten, und auch westliche Kinder beeinflussen.36

Mit der Anthologie, aus der dieser kurze Aufsatz entnommen ist, könne der Schaden, der durch Autoren und Menschen allgemein wie Karen Blixen verursacht worden ist, wieder korrigiert werden.37


3.2.2 Gaby Dietse, „Blixen und Kolonialität. Die weiße Frau als Verarbeitungsfigur”

In diesem Abschnitt soll es um einen Vortrag gehen, den die habilitierte Kulturwissenschaftlerin im Rahmen der Ringvorlesung „150 Jahre Nordeuropa-Institut” an der Humboldt-Universität in Berlin am 5. Dezember 2005 hielt.38

Es handelt sich um einen Text, der Blixens Position als Autorin eines „hegemoniales Textes” bezeichnet und ihre (autobiographische) Figur der weißen Frau als „Verarbeitungsfigur” von „Hegemonieverlust”, „Colonial Nostalgia”, „Legitimation” der damaligen kolonialen Herrschaft und den bis in die heutige Zeit reichende „postkolonialen Herrschaftsansprüchen”39

Sie beschreibt und erklärt dies in drei Abschnitten. Im ersten geht es um ihre Verstrickung in das koloniale Unternehmen, das heißt, die ökonomischen und politischen Aspekte ihres Lebens auf der Farm40.

Der zweite Abschnitt handelt dann vom Verhältnis von Afrika zu Diskussionen über Geschlecht und Geschlechtsrollen. Sie merkt an, dass dieses Thema im Roman kaum explizit angesprochen wird und sich Blixen auch nicht als weibliche oder gar feministische Figur inszeniert, stattdessen häufig auf Seite der Männer stehend41 (Ganz anders der Film, der einen „Geschlechterdrama” um die häufig abwesenden Männer in Blixens Leben aus der Geschichte macht42)

Andererseits wird das „weibliche” Afrika wiederholt mit dem „männlichen” Europa verglichen und als in einer Art symbiotischen, aber ungleichen Beziehung dargestellt, in der die Frau schwächer und dem Mann unterlegen sei, ihn aber instinktiv verstehen kann, während sie selbst unzugänglich bleibt, und das auch auf die Bevölkerung beider Kontinente übertragen wird.

Interessanterweise stellt sie sich hier somit als Mann dar, der sich in die „Frau” Afrika und deren Menschen, vor allem Männer, verliebt hat.43 Dies und andere Geschlechtskonstellationen im Buch, auch zwischen weißem Mann und weißer Frau44, führen zu komplizierten Machtverhältnissen und -phantasien.45

Im dritten Teil schließlich zeigt sie, wie weiße Frauen im heutigen postkolonialen Zeitalter als „Verarbeitungsfiguren” für den Verlust der Kolonien dar- und aufgestellt werden können, und vergleicht dies wieder mit der Art und Weise wie Blixen sich selbst im Buch präsentiert.46

Als Symbol für das als „weibliche” angesehene „Zivilisationsprojekt” des Kolonialismus werden sie im Nachhinein zur moralischen Legitimation von diesem benutzt, indem das tapfere, aber letztendlich vergebliche Schaffen von weißen, liebenden Frauen als „tragisches Scheitern einer an sich guten Mission” erklärt wird und so (indirekt) Kolonialismuskritik zurückgewiesen wird und gleichzeitig der „kolonialen Nostalgie” Ausdruck verliehen wird.47

Dass dieses sich in heutigen Afrikafilmen im deutschen Fernsehen noch finden lässt, beurteilt sie als „strukturell rassisstisch” und als „die Rückständigkeit des einheimischen Diskurses” zeigend.48


3.2.3 Annegret Heitmann, „Landnahme in Karen Blixens Den Afrikanske Farm”

Heitmann is Professorin für Nordische Philologie in München. In ihrer Arbeit „Landnahme in Karen Blixens Den afrikanske Farm49 spricht sie von den verschiedenen Aspekten, unter denen man die Landnahme an dem Fuße der Ngong-Berge verstehen und interpretieren kann, und über die Widersprüchlichkeit und Paradoxien des Romans.

Dieser scheint zwischen „Identifikation mit” und „dem Widerstand gegen die Rolle der Kolonisatorin” hin und herzuwechseln50, beide vereint in der Erfahrung der durch die Moderne und Technisierung ausgelösten Orientierungslosigkeit und mehrfach in Szenen, durch die Gegenüberstellung von Flügen übers Land und der Zeitvorstellung der Gikuyu und Masai ausgedrückt.51

So bleiben diese nicht stumm im Hintergrund, sondern sind präsent und haben eine Stimme, was den Kolonialismus als Entrechtung zumindest implizit einräumt, auch wenn diese dann nicht explizit besprochen wird.

Insgesamt wird diese Landnahme zunächst einmal als „bereits vollzogenes Faktum” und „historische Tatsache” dargestellt, zum anderen als die Faszination des Ursprünglichen und auch die Gefühle von Überlegenheit und Gewaltphantasien beinhaltende Sinnsuche, die sich jedoch zuletzt als vergeblich herausstellte. Ein Neuanfang durch Landnahme erweist sich so als unmöglich.52

Ein Neuanfang im Elementaren, den Heitmann als „Reaktion auf unverarbeitete oder verdrängte Erlebnisse und Tatsachen” versteht53, und vielleicht der oben erwähnten Orientierungslosigkeit im sich stets mehr und mehr technisierenden „modernem” Zeitalter entspringt.


3.2.4 Susan Brantly, „Karen Blixen's Challenges to Postcolonial Criticism”

Susan Brantly har 2013 eine Arbeit verfasst, auf der sich in großen Maßen der Rezeptionsüberblick in Kapitel 3.1.2 stützt. In Karen Blixen's Challenges to Postcolonial Criticism54 fasst sie, relativ vorsichtig und zurückhaltend formulierend, die Probleme der gängigen Analyse von Blixen's Werk und Out of Africa in besonderem zusammen.

Sie stellt Aussagen von bisherigen Kritikern mit extratextuellen Aussagen Blixens gegenüber, die oft nur auf Dänisch vorliegen und daher vielen ausländischen Autoren nicht zugänglich sind.55

So kann sie aufzeigen, dass diese sich zum Teil sehr widersprechen56 und die Kritiker, scheinbar häufig sehr an eine einfache „Kolonisatoren/Kolonisierte”, „Europa/Afrika”, „Adel/Arbeiter” gut/böse Dichotomie gewohnt57, sie basierend auf ihren offensichtlichen Status als weiße adlige Farmbesitzerin in die erstere Schublade stecken und Kritik nach dem „üblichem” postkolonialen Muster an ihr übten58, ohne ihre komplexe Multikulturalität und Identität Blixens zu berücksichtigen.59

Außer der Sprachbarriere könne dies auch an der wichtigen Stellung haben, die Blixen im dänischen Literaturkanon hat, die zur gründlicheren Beschäftigung mit ihrem Hintergrund führen kann.60

Brantly schreibt, Blixens subtiler und zurückgehaltener Stil könne dazu führen, dass Kritiker leicht das in ihre Texte hineinlesen kann, was sie zu finden erwarten, auch wenn das bei genaurem Lesen und insbesondere unter Zuhilfenahme der extratextuellen Informationen Trugschlüsse sein können, wie sie sie etwa bei Ngugi wa Thiong'o und Harald Nielsen sieht61, ebenso bei Raoul Granqvist und Martin Shaw.62

Sie zählt auch einige kolonialkritische Stellen auf, und andere, in der sie zeigt, dass sie sich der Ungleichheit zwischen weißen und schwarzen Menschen durchaus bewusst war.63

Im Folgenden erwähnt sie einige Schriftsteller, die nicht in die selben Fallen getappt sind und eine differenziertere Meinung vertreten. Abdul R. JanMohamed etwa schreibt, dass sie für ihr Zeitalter ein Ausnahmefall war, da sie sich, wenn auch mit dem typischen Bilde des „edlen Wilden” im Kopf, für die einheimische Bevölkerung interessiert und deren Kultur zu verstehen versucht, und zudem in ungewöhnlich hohen Maße sich der Probleme der Kolonialzeit bewusst war und sich für Bildung eingesetzt hatte.64 Auch andere bemerken positive Dinge.65

Ein wichtiger Punkt ist, dass es vielleicht Blixen möglich war, besser die Probleme der Afrikaner zu verstehen, weil sie als Frau diskriminierende Gesellschaftsst­rukturen in Dänemark bereits gewöhnt war, und nach Kenia gekommen war, um sich davon zu befreien. So gelangte sie zu dem Hybridstatus einer gleichzeitig un­terdrückten und unterdrückenden Person.66

Auch in anderer Hinsicht sei Blixen (und auch das Buch selbst) ein Hybrid, der sich Stereotypen und Kategorisierung widersetzt, in sich verschiedene „Qualitäten” wie Europa/Afrika, gezähmt/wild, männlich/weiblich vereinend. Damit scheint sie gesetzten Identitäten (hier insbesondere den britischen Kolonisatoridentitäten) gefährlich.67 Sie widersetzt sich sozialen Normen und beherbegerte Menschen niedereren sozialen Ranks und gab den Afrikanern mehr Selbstständigkeit als viele andere Farmer,68 und benutzt den „Hybrid” mehrfach als positive Metapher für einen das Leben reichhaltig erfahrenden „Geist” im Buch.69

So schließt Brantley, dass der Text alles andere als ein gewöhnlicher romantisierender Kolonialroman sei, und die durch die ungewöhnliche Identität der Romanautorin zu findenden Unterschiede es wert sind, näher betrachtet zu werden.70


4. Analyse


4.1 Persönliche Leseerfahrung


Die eigene Leseerfahrung war sehr zwiegespalten. Stellen, die fast „progressiv” und liberal wirkten, wechselten sich mit sehr fragwürdigen Sätzen ab, die in einem, wenn immerhin nicht hasserfüllten, so doch arroganten Rassismus durch die herablassende Bewunderung ausdrückten.

Zum Ausdruck kam letzteres etwa in den Stellen, in denen sie die Afrikaner mit wilden Tieren vergleichte („What I learned from the game of the country, was useful to me in my dealings with the Native People”71 „they behaved like ants”72) oder etwa ihren Koch, wie Ngugi wa Thiong'o oben anmerkte, mit einem Haushund verglich („a civilized dog, that has lived for a long time with people, will place a bone on the floor before you, as a present”73), während an anderer Stelle sie die „Natives” den Europäern gleichwertig darstellt.

Insgesamt waren diese „eindeutigen” Textstellen aber nicht so zahlreich, ihre Erzählung war weitgehend angenehm zurückhaltend mit expliziten Werturteilen. Durch diesen eher berichtenden als wertenden Stil liest sich das Buch doch ziemlich interessant, da eine Meinung zwar meist dennoch klar in und zwischen den Zeilen erkennbar ist, aber dem Leser nicht aufgedrungen wird, und so die Handlungen, die Menschen und das Land im Vordergrund stehen. Daraus lässt sich erkennen, dass es Blixen hier vermutlich wirklich vornehmlich um ihre persönlichen

Jedoch war diese Meinung nicht immer leicht zu interpretieren, und hatten zum Teil doch den vorhin erwähnten zwar hasslosen, aber herablassenden Rassismus als Implikation.


Im Vergleich mit den besprochenen Autoren ist sie wohl der von Brantley und teilweise der von Heitmann am ähnlichsten. Beide „verteufeln” Blixen nicht oder legen sie ausschließlich kritisch aus, sondern weisen auch darauf hin, dass sie bisweilen aus ihren damaligen Kolonialdiskurs und gängigen Denkmustern ausbrach, und, wenn auch meist recht subtil, Kritik am kolonialen Projekt verübt, allein schon durch ihre komplexe „hybride”, multikulturelle Identität.

Häufig scheint sie sich nicht um übliche soziale Konventionen zu kümmern, was doch eher als untypisch für Adlige, gerade in jenem Zeitalter, beschrieben werden kann.

Dies alles wird


4.3 Eventuelle Revidierung der persönlichen Perspektive und Kritik an den besprochenen Stellungnahmen


Die erwähnten Autoren und ihre Werke haben in jedem Fall jeweils interessante neue Perspektiven aufgeworfen und Zusammenhänge und Interpretationen beschrieben, die beim ersten Lesen definitiv nicht direkt auffallen würden, und so jeden Leser zum Nachdenken über die eigene Position und Meinung bringen.


5. Zusammenfassung



6 Anhang: Literaturverzeichnis


1Brennecke, Detlef, Tania Blixen, Reinbek 1996, S. 143

2Brennecke 1996, S. 10-12

3Brennecle 1996, S. 143

4Liukkonen, Petri, Karen Blixen, in: Author's Calendar, 2008, https://web.archive.org/web/20130704030929/http://www.kirjasto.sci.fi/blixen.htm, lizenziert nach CC-BY-NC-ND 1.0

5Brennecle 1996, S. 144

6Brennecle 1996, S. 144

7Brennecke 1996, S. 145

8Liukkonen 2008

9Brantly, Susan, Karen Blixen's Challenges to Postcolonial Criticism, Roskilde 2013, S. 29

10Klünder, Ute, „Ich werde ein großes Kunstwerk erschaffen...”. Eine Untersuchung zum literarischen Grenzgängertum der zweisprachign Dichterin Isak Dinesen / Karen Blixen, Göttingen 2000, S. 32

11Brennecke, Detlef, Tania Blixen, Reinbek 1996, S. 116

12Brennecke 1996, S. 118-119

13Heitmann, Annegret, Landnahme in Karen Blixens Den Afrikanske Farm, in: Karen Blixen/Isak Dinesen/Tania Blixen. Eine internationale Erzählerin der Modern, Berlin 2008, S. 173

14Dietse, Gaby, Blixen und Kolonialität. Die weiße Frau als Verarbeitungsfigur, Berlin 2005 S.7

15Brennecke 1996, S. 118

16Brennecke 1996, S. 121

17Brennecke 1996, S. 119

18Brennecke 1996, S. 122/124

19Heitmann 2008, S. 173-174

20Dietse 2005, S. 7

21Brantly 2013, S. 30-31

22Brantly 2013, S.35

23Brantly 2013, S. 32

24Brantly 2013, S. 30

25Branty 2013, S. 30

26Brantly 2013, S. 32

27Ngugi wa Thiong'o, Ihr Koch, ihr Hund. Karen Blixens Afrika, in: Moving the Centre. Essays über die Befreiung afrikanischer Kulture, Münster 1995, S. 165-166

28Brantly 2013, S. 30

29Brantly 2013, S. 31-32

30Ngugi wa Thiong'o, Ihr Koch, ihr Hund. Karen Blixens Afrika, in: Moving the Centre. Essays über die Befreiung afrikanischer Kulture, Münster 1995, S. 2

31Ngugi wa Thiong'o 1995, S. 165-166

32Ngugi wa Thiong'o 1995, S. 164

33Ngugi wa Thiong'o 1995, S. 166

34Blixen, Karen, Out of Africa, Glasgow 1937/1948, S. 42

35Ngugi wa Thiong'o 1995, S. 167

36Ngugi wa Thiong'o 1995, S. 167

37Ngugi wa Thiong'o 1995, S. 167

38Dietse, Gaby, Blixen und Kolonialität. Die weiße Frau als Verarbeitungsfigur, Berlin 2005

39Dietse 2005, S. 2

40Dietse 2005, S. 2-3

41Dietse 2005, S. 7-8

42Dietse 2005, S. 8

43Dietse 2005, S. 8-9

44Dietse 2005, S. 10-11

45Dietse 2005, S. 9-11

46Dietse 2005, S. 2 u. 12

47Dietse 2005, S. 12

48Dietse 2005, S. 15

49Heitmann, Annegret, Landnahme in Karen Blixens Den Afrikanske Farm, in: Karen Blixen/Isak Dinesen/Tania Blixen. Eine internationale Erzählerin der Modern, Berlin 2008.

50Heitmann 2008, S. 188

51Heitmann 2008, S. 189

52Heitmann 2005, S. 189

53Heitmann 2005, S. 189

54Brantly, Susan, Karen Blixen's Challenges to Postcolonial Criticism, Roskilde 2013.

55Brantly 2013, S. 30-31

56Brantly 2013, S. 30-31, 36-37

57Brantly 2013, S. 30 / 35

58Brantly 2013, S. 30

59Brantly 2013, S. 31

60Brantly 2013, S. 30

61Brantley 2013, S. 33

62Brantley 2013, S. 36-37

63Brantley 2013, S. 35-36

64Brantley 2013, S. 38

65Brantley 2013, S. 38-39

66Brantley 2013, S. 39-40

67Brantley 2013, S. 40-41

68Brantley 2013, S. 41

69Brantley 2013, S. 43-44

70Brantley 2013, S. 44

71Blixen 1937/1948, S. 17

72Blixen 1937/1948, S. 20

73Blixen 1937/1948, S. 42